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Rabbiner Henry Brandt -
Brücken bauen für interreligiöse Verständigung e.V.

 


Unser Rabbi Brandt

Vita von Rabbiner Dr. Henry G. Brandt

Geburt und Ausbildung

Rabbiner Brandt, 1927 in München geboren, lebte mit den Eltern und seinem Bruder in der Mainzerstraße. Nachdem der Vater in der Reichspogromnacht für mehrere Wochen nach Dachau verschleppt wurde, bereitete die Mutter die Auswanderung nach Israel vor. Noch 11-jährig muss der junge Brandt seine bisherige (auch religiöse) Heimat verlassen. Über England gelangt die Familie nach Tel Aviv: Dort feiert er mit der Familie seine Bar Mitzwa.

Nach mehreren Jahren bei der Marine während des Freiheitskrieges (1947-1951) führt der Weg zum Studium der Wirtschaftswissenschaften an die Queens-University in Belfast. Schon während der Studien (1951-1955) und neben der anschließenden beruflichen Tätigkeit in der Autoindustrie war Henry Brandt in einer Reformgemeinde im Osten Londons als Lehrer tätig, um Hebräisch und Religion zu unterrichten.

Diese ehrenamtliche Tätigkeit führte zu zwei wichtigen Begegnungen, die Rabbiner Brandt mit feinem Humor so beschrieben hat: „Neben meinem Studium […] suchte ich Anschluss an die jüdischen Gemeinden. Ich fand ihn dann in London. Und ich fand dort in der Synagoge meine Frau. Deshalb sage ich immer, es lohnt sich manchmal beten zu gehen, da findet man auch das Beste.“ In der Hauptsynagoge von London begegnet Brandt auch dem Rabbiner, der ihm den Weg zum Studium des Rabbinats eröffnete, eine wichtige Weichenstellung für sein späteres Leben. Das Rabbinatsstudium am Leo Baeck College in London von 1957-1961 endet 1961 mit dem Erwerb des Rabbinerdiploms und der semīchāh le-rabbānūt, der formellen Einsetzung zum Rabbiner.

Tätigkeit als Rabbiner

Damit beginnt ein neuer wichtiger Abschnitt in seinem Leben, der ihn durch halb Europa führt. Zunächst ist er als Rabbiner in Leeds im Nordosten Englands tätig, 1971 wechselt er nach Genf und begleitet bis 1978 eine internationale jüdische Gemeinde. In diesen Jahren gründet er die liberale Gemeinde Or Chadasch in Zürich und wechselt danach nach Göteborg in Schweden, wo er von 1978-1983 als Rabbiner tätig ist.

1983 kehrt Rabbiner Brandt nach Deutschland zurück, in das Land, das er 1938 mit seiner Familie hatte verlassen müssen. Hier, wo einst Brücken eingerissen wurden, beginnt er als Brückenbauer ein Werk der Aussöhnung und der Verständigung. Die Rückkehr in das Land der Täter ist wie eine ausgestreckte Hand. Er wirkt zunächst in Niedersachsen mit Sitz in Hannover (1983-1995). 1985 wird er zudem Jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Von 1995-2004 ist er als Landesrabbiner des Landesverbandes Westfalen-Lippe mit Sitz in Dortmund tätig. Im Jahr 2004 beginnt er sein Wirken als Rabbiner in der moderat-orthodox eingestellten Kultusgemeinde Augsburg-Schwaben und begleitet zugleich die Jüdische Kultusgemeinde von Bielefeld, die der „Union progressiver Juden“ angehört. 2019 tritt er in den Ruhestand. Als Ehrenmitglied im Vorstand des neu gegründeten Rabbiner Henry Brandt – Brücken bauen für interreligiöse Verständigung e.V. gibt er weiterhin wertvolle Impulse als Brückenbauer innerhalb des Judentums, zwischen den Religionen, zwischen Religion, Stadt und Stadtgesellschaft.

Weitere Aktivitäten

Von 1985-2016 stand Rabbiner Brandt als jüdischer Vorsitzender dem Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit vor, viele Jahre wirkte er als Vorsitzender der nicht-orthodoxen Allgemeinen Rabbinerkonferenz (2004-2019), zudem war er 25 Jahre lang Mitglied im Gesprächskreis Juden-Christen beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und war Mitglied im Vorstand der Buber-Rosenzweig-Stiftung.

Auszeichnungen

Im Jahr 2011 wird Rabbiner Brandt mit dem Edith-Stein-Preis der Stadt Göttingen ausgezeichnet, in Würdigung seines interreligiösen Engagements: als Brückenbauer im Dialog vor allem mit Christen, aber auch mit Muslimen.

2015verleiht ihm die Friedensstadt Augsburg die Ehrenbürgerschaft für die Verdienste um die Aussöhnung der Religionen. Begründung: „Henry Brandt steht für praktische Lösungen im täglichen Leben und ist damit Vorbild. … Brandt verkörpert glaubhaft und zuverlässig die zur Versöhnung ausgestreckte Hand. Er hat die Synagoge für die Stadt geöffnet. Er machte und macht das Judentum verständlich und in Augsburg zu etwas Selbstverständlichem.“

Am 25. Januar 2018 wird ihm im Kaiserdom zu Aachen der Klaus Hemmerle Preises verliehen. 2019 erhält er den Estrongo Nachama Preis für Toleranz und Zivilcourage.

Die letzten Jahre seines Lebens verbringt Rabbiner Brandt vor allem im Zürich, umgeben von der Fürsorge seiner Angehörigen. Im Kreis der Familie gibt er sein Leben am 8. Februar 2022 zurück in die Hände seines Schöpfers. „Möge seine Seele eingebunden sein in das Bündel des Lebens.“

19. Juli 2022, Franz Sedlmeier